Also, das mit der Reitschule scheint ja mal wieder die Gemüter zu erhitzen. Es ginge doch auch anders als mit diesem Trötzelen und Mötzelen, lieber Gemeinderat et al. Um einfach mal vor Augen zu führen, dass es ähnliche Fälle auch in anderen Städten gibt, ein kleiner Vergleich nach Hamburg, zum Gängeviertel.
Besetzt wurde das Gängeviertel im Sommer 2009, und besetzt ist es immer noch. Irgendwie. Es laufen stetige Verhandlungen mit der Stadt, die sogar immer mal wieder ein bisschen mitfinanziert, wenn’s um Renovationen geht – so wurde gerade letztes Wochenende die Fabrique eingeweiht, eine gigantische Hütte, in der neben Probe- und Veranstaltungsräumen auch gleich eine grosse Küche zwecks noch mehr Möglichkeiten für VoKü eingebaut wurde. Ein Mix aus politischem, sozialem und kulturellem Engagement wird angestrebt und an wohl unzähligen Plenumssitzungen immer wieder durchgekäut.
Was gibt es denn sonst noch hier? Also Theater haben sie keines, ein Kino auch nicht. Dafür mindestens zwei Galerien, ein Konzertlokal, ein veganes Restaurant, eine Bar, ein Kaffee, eine Teestube und einen Klub im Keller – und jetzt eben diese Fabrique. Darüber hinaus gibt es ein ganzes Stockwerk, das nur dazu da ist, damit politische Gruppen ihre Sitzungen hier abhalten können. Das Gängeviertel enthält zudem noch einige Wohnprojekte, sicher über 60 Menschen wohnen in den verschiedenen Häusern (inklusive Sauna im Innenhof).
Ist das Gängeviertel kommerzieller als die Reitschule? Hm. Ja und nein. Ja, weil eine Genossenschaft gegründet wurde, deren Ziel es ist, das Gebäude der Stadt irgendwie irgendwann abzukaufen. Nein, denn: Alles ist kollektiv und selbstverwaltet. Öffentliche VV jeden Mittwoch. Die Jupibar, das Kaffee und der Kellerklub Kindergarten laufen alle über das Spendenprinzip – jedeR zahlt, was er/sie kann. Und sie laufen gut.
Ich finde, vom Gängviertel und dem Umgang damit könnten sich beide Berner Seiten eine Scheibe abschneiden – warum nicht wieder richtig unkommerziell werden? Und warum die “bösen Linksautonomen” nicht einfach ihre Sache machen lassen – denn sie machen sie ja gut, seit Jahren, für das Gemeinwohl und mitten in der Stadt. Eine gelebte politische Auseinandersetzung, ein Freiraum, der gerade in der Bundesstadt so wichtig ist, wo doch darüber nachgedacht werden muss, wie wir leben wollen.

eine kleine Karte des Gängeviertels. Handgelenk mal Pi ist die Fläche etwa drei mal so gross wie die Reitschule – aber natürlich mit viel mehr Stockwerken.
Der Beitrag Besetzt oder wie? Kulturzentren im Direktvergleich erschien zuerst auf «KulturStattBern».